Gymnasium Waldkraiburg
70 Mädchen und Buben zum Anfang
Erinnerungen an 50 Jahre gymnasiale Bildung in Waldkraiburg
Zwei Klassenzimmer am Ende des Gangs in der heutigen Diesel-Mittelschule, ein Kar-tenraum
als Lehrerzimmer und 70 Schüler - äußert provisorisch ist das Waldkraiburger
Gymnasium vor 50 Jahren gestartet. Erst im Schuljahr 1998 bekommt das Gymnasium
seine Selbstständigkeit und ist nicht länger Zweigstelle des Ruperti-Gymnasiums
Mühldorf. Schüler des ersten Waldkraiburger Jahrgangs erinnern sich. Fast auf den Tag
genau 50 Jahre nach ihrem ersten Schultag in der fünften Klasse treffen Renate Hei-drich,
Wolfgang Horend und Hans Wimmer im Gymnasium am Ritter-von-Gluck-Weg
aufeinander. Ein Gebäude, das sie aus ihrer Schulzeit gar nicht kennen. Denn als sie vor
50 Jahren mit 67 anderen Mädchen und Buben an das Zweiggymnasiun Waldkraiburg
wechseln, ist das Zimmer der Klasse 5e Teil der heutigen Diesel-Mittelschule. „Die zwei
Klassenzimmer lagen am Ende des Gangs“, erinnert sich Hans Wimmer, der sich inmit-ten
der anderen Schüler der damaligen Hauptschule erst einmal zurechtfinden musste.
Politische Dimension nicht erfasst
Mit dem ersten Schultag am Zweiggymnasium ging für die Stadt Waldkraiburg ein lang
gehegter Wunsch in Erfüllung. Welche Diskussionen die Schule im Vorfeld verursacht
hatte, ging damals an den Schülern vorbei. „Die politische Dimension haben wir da-mals
nicht erfasst“, sagt Wimmer. Dennoch war es Thema unter den Schülern. „Ab der
vierten Klasse wurde darüber geredet, dass wir dann jeden Tag nach Mühldorf pendeln
müssen, wenn wir aufs Gymnasium gehen“, erinnert sich Renate Heidrich. Doch Mitte
März war klar: Es wird eine Zweigstelle geben. „Über Jahre hinweg gab es einen poli-tischen
Kampf um das Gymnasium. Das Potenzial an Schülern war aber damals schon
vorhanden“, sagt der heutige Schulleiter Helmut Wittmann. Von außen betrachtet: Die
Entscheidung pro Gymnasium habe dem Selbstbewusstsein der Stadt gutgetan. Hans
Wimmer bewertet dieses heute ähnlich: „Es hat das Ansehen gefördert.“ Jedes Jahr
wuchs das Gymnasium um eine Jahrgangsstufe, die Schule wechselte zunächst an die
heutige Josef-von-Eichendorf-Schule bis sie letztlich ihre Räume am Ritter-von-Gluck-
Weg bezog. „Wir waren eine eingeschworene Gemeinschaft. Unabhängig davon, in
welchem Gebäude und mit welchen Mitteln wir damals angefangen haben: Wir fühl-ten
uns stolz, Gymnasiast zu sein“, sagt Wolfgang Horend. Die Schüler der zwei Klassen
lernten sich gut untereinander kennen, manche Lehrer blieben ihnen über mehrere
Schuljahre. Eine intensive Zeit für alle. „Es war natürlich eine Herausforderung für den
Stundenplan, dass Lehrer möglichst wenig zwischen Waldkraiburg und Mühldorf pen-deln
mussten“, erklärt Wittmann.
Einer, der es weiß, ist Peter Müller. Er kam 1972 als junger Lehrer ans Ruperti-Gym-nasium
Mühldorf, ab 1974 wurde er auch in Waldkraiburg eingesetzt. Bis 1994 pen-delte
er zwischen den beiden Städten, bis er ausschließlich in Waldkraiburg die Fächer
Deutsch, Erdkunde, Geschichte und Ethik unterrichtete. „Bei einem Wechsel zwischen
den Schulen habe ich mich immer beeilt.“ Der Umzug an den heutigen Standort, die
Eigenständigkeit und der erste Abiturjahrgang: Peter Müller hat die Schule bei wichti-gen
Entwicklungen begleitet. „Der verstorbene Altbürgermeister Jochen Fischer hatte
sich sehr für die Eigenständigkeit eingesetzt, die sich dann fördernd auf die Schule aus-wirkte.“
Eine Entwicklung, den der erste Jahrgang längst als Schüler nicht mehr erlebte.
Sechs Jahre wurden sie an der Zweigstelle unterrichtet, als nach der zehnten Klasse der
Wechsel nach Mühldorf kam. Das Gefühl, „die Schule mitaufgebaut zu haben“, begleitet
Horend noch heute. Die sechs Jahre an der Zweigstelle hat er als „etwas Besonderes in
Erinnerung“.
Wechsel nach der zehnten Klasse
Die Entscheidung für ein Waldkraiburger Gymnasium war goldrichtig“, sagt Wimmer.
1998 wurde die Zweigstelle in Waldkraiburg eigenständig. Wittmann schätzt es, dass
jedes der drei Landkreisgymnasien heute ein „anderes Profil“ hat und es untereinander
ein gutes Verhältnis gebe. Die Wege der ersten Waldkraiburger Gymnasiasten trennten
sich nach dem Abitur. Doch zum 50. Jahrestag wollten sie wieder zusammenkommen
und die Stimmung von damals aufleben lassen. Wegen der Corona-Pandemie ist das
Fest allerdings um ein Jahr verschoben. Für Renate Heidrich halb so wild: „Wir haben 50
Jahre darauf gewartet, dann warten wir eben ein Jahr länger.
Erst 1998 ein eigenständiges Gymnasium
Mit Inbetriebnahme der Zweigstelle des Ruperti-Gymnasiums Mühldorf am 9. Septem-ber
1970 ging eine jahrelange Diskussion zu Ende. Gemäß einem Beschluss im Oktober
1967 in nichtöffentlicher Sitzung des Stadtrats sollte Bürgermeister Dr. Josef Kriegisch
darauf hinwirken, dass in Waldkraiburg ein Gymnasium, gegebenenfalls als Zweig-gymnasium
errichtet werden soll. „Um einem schon jahrelang bestehenden Bedürfnis
abzuhelfen“, wie damals die Waldkraiburger Nachrichten berichteten.
Zweckmäßigkeit infrage gestellt: Zunächst mussten einige Steine aus dem Weg
geräumt werden. Während die Bezirksplanungsstelle dem Vorhaben positiv gegenüber
stand, stellte der Regierungsbeauftragte für das höhere Schulwesen für Oberbayern-
Ost die Zweckmäßigkeit eines Waldkraiburger Gymnasiums in Frage. Zwischenzeitlich
hatte sich auch der Kreistag für ein sechstklassiges Gymnasium in Waldkraiburg aus-gesprochen
und beantragt. Doch das Bayrische Kultusministerium hatte dafür „kein of-fenes
Ohr“. Man argumentierte mit mangelnden Schülerzahlen und einer Gefährdung
der Struktur des Mühldorfer Gymnasiums. Die Stadt und der damalige Landrat Albert
Weggartner ließen nicht locker, sodass im März 1970 das Kultusministerium einem
Zweiggymnasium zustimmte.
Konstante Anmeldezahlen: Mit 70 Mädchen und Buben startete die Zweigstelle, die
Anmeldezahlen blieben in den folgenden Jahren – abgesehen von einigen Ausreißern
– konstant. Zum Schuljahresbeginn 1998/1999 erhielt das Gymnasium seine Selbst-ständigkeit,
und damit stiegen die Anmeldezahlen. Im Schuljahr 2009/2010 starteten
164 Mädchen und Buben in der fünften Klasse – bislang Rekord. „Der Wechsel nach
der zehnten Klasse hatte – gerade aus dem Umland – viele abgeschreckt, weshalb sie
sich gleich zu Beginn am Mühldorfer Gymnasium angemeldet haben“, sagt Schulleiter
Helmut Wittmann.
Ein Fest gibt´s erst im nächsten Jahr
70 Mädchen und Buben starteten am 9. September 1970 am Gymnasium Waldkrai-burg.
50 Jahre ist das her, und das sollte gefeiert werden. Geplant war unter anderem,
dass die Schüler sich an ihrem ehemaligen Schulgebäude treffen – die heutige Diesel-
Mittelschule. Von den damaligen Fünftklässlern waren nur noch 49 ausfindig zu ma-chen,
35 hatten bereits zugesagt. Doch dann kam Corona, das Fest wurde auf nächstes
Jahr verschoben. „Ich bin froh, dass das Treffen nicht abgesagt, sondern verlegt wurde.“,
sagt Wolfgang Horend.
Als vor 50 Jahren die ersten Mädchen und Buben die Schulbank im Waldkraiburger Gymnasium drückten, wa-ren
(von links) Wolfgang Horend, Renate Heidrich und Hans Wimmer dabei. Heute leitet Helmut Wittmann das
Gymnasium.
Foto: Lohmann
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